Diagnose Sklerodermie

Bei den meisten Patienten kommt es frühzeitig zu einer Raynaud-Symptomatik. Wichtig zur Diagnosestellung ist vor allem das typische klinische Erscheinungsbild mit Dermatosklerose (Hautverhärtung), Sklerodaktylie (Verhärtung der Fingerhaut, Madonnenfinger), Mikrostomie (Tabakbeutelmund), Teleangiektasie (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße), Kalzinosen (Kalkablagerungen unter der Haut) und akralen Erosionen (Gewebsschädigung an den Fingerspitzen).

Von den Antikörpern sind vor allem die ANA, Scl-70, CENP und Anti-Centromer-Antikörper diagnostisch wichtig.

Um die Diagnosestellung zu erleichtern, können Kliniker auch das American College of Rheumatology (ACR)/European League Against Rheumatism's (EULAR) classification criteria for SSc konsultieren.


ACR/EULAR SSc-Kriterien beinhalten die folgenden Merkmale:

  • Hautverdickung der Finger beider Hände
  • Fingerspitzenläsionen (z. B. Geschwüre, Pitting-Narben)
  • Teleangiektasie
  • Abnormale Nagelfalzkapillaren (z. B. ektatische Blutgefäße, Dropouts)
  • Pulmonale arterielle Hypertonie und/oder interstitielle Lungenerkrankung
  • Raynaud-Syndrom
  • SSc-verwandte Autoantikörper (ANA, Anti-Scl-70, Anti-RNA-Polymerase III, Centromer)

Die von der EULAR und vom ACR gemeinsam entwickelten Klassifikationskriterien der systemischen Sklerose. Mehr als 9 Punkte klassifizieren die SSc.

Kriterien der systemischen Sklerose

Subkriterien

Wichtung

Hautverdickung der Finger

Puffy Fingers

Fibrose der ganzen Finger

2

4

Läsionen an der Fingerspitze

Digitale Ulzera

Pitting Skars

2

3

Teleangiektasien

 

2

PAH (pulmonalarterielle Hypertonie: Lungenhochdruck) und/oder ILD (interstitielle Lungenbeteiligung)

 

2

Pathologische Kapillarmikroskopie

 

2

Raynaud-Phänomen

 

3

Spezifische SSc-Antikörper*

 

3

* Anti-Centromer-AK, Anti-Polymerase III-AK, Anti-Scl70-AK (Puffy Fingers: geschwollene Finger, Pitting Skars: punktförmige Narben)

IFT Centromer-Antikörper
IFT Centromer-Antikörper

Frühe Diagnose der systemischen Sklerose (VEDOSS: Very Early Diagnosis of Systemic Sclerosis)

Die frühe Diagnose der systemischen Sklerose (Sklerodermie) konnte in den vergangenen Jahren deutlich verbessert werden. Während früher die Erkrankung vorwiegend in fortgeschrittenen Stadien mit Schäden an Haut und inneren Organen erkannt wurde, ist es heute möglich, die Diagnose bei Patienten mit Raynaud-Phänomen zu stellen, wenn Sklerodermie-assoziierte antinukleäre Antikörper und/oder Sklerodermie-typische kapillarmikroskopische Veränderungen nachgewiesen werden können. Die EULAR/ACR-Klassifikationskriterien von 2013 sind hier ein wichtiger Fortschritt. Die frühe Diagnose ermöglicht den frühzeitigen Einsatz der heutigen Therapiemöglichkeiten und kann Schäden verhindern. Sie erlaubt darüber hinaus ein besseres Monitoring des Krankheitsverlaufs auf der Grundlage der Organdiagnostik und der nachgewiesenen Autoantikörper.

Warnzeichen für frühe SSc
Very Early Dignosis of SSc

Organmanifestationen

Ebenso wichtig, weil den Verlauf bestimmend und damit Einfluss auf die Sterblichkeit habend, ist eine möglichst frühe und genaue Erfassung krankhafter Veränderungen an inneren Organen. Dies erfolgt hauptsächlich durch bildgebende Verfahren. Sonographie (Ultraschall), Spirometrie und Bodyplethysmographie (Lungenfunktionsprüfung) gehören zu den Routine Untersuchungen. Röntgen, (HR)CT und MRT werden ebenfalls zur Kontrolle veranlasst.

Kapillarmikroskopie

Die Kapillarmikroskopie ist eine zur Diagnosestellung der Systemsklerose bei Raynaud Symptomatik prognostisch signifikante Untersuchung. Die Sensitivität der o.g. ACR Kriterien für SSc lässt sich dadurch deutlich erhöhen.

Bei 80% der SSc-Patienten treten charakteristische Anomalien an den Kapillaren auf. Diese mikroangiopathische Veränderungen (Veränderung der kleinsten Gefäße: Kapillaren) sind hier schon Jahre vor Erstmanifestation sichtbar. Weiterhin erweisen sie sich als unabhängige Prädiktoren für eine spätere Entwicklung der systemischen Sklerose. Ektasien, Mikroblutungen, Perikapilläre Ödeme, Megakapillaren (massive Ektasie oft beider Kapillarschenkel) sowie avaskuläre Areale sind die hier beobachteten morphologischen Veränderungen. Letztere weisen eine größere prognostische Variabilität als erweiterte Kapillaren auf und kommen häufiger bei der SSc als beim Raynaud vor. Bei Raynaud mit avaskulären Arealen und/oder im Durchschnitt >2 Megakapillaren/Finger besteht eine Gefahr von 70% bzw. 88% eine SSc zu entwickeln.

Kapillarmikroskopie
Kapillarmikroskopie

Rodnan Skin Score

Zur Erfassung der Ausprägung der Haut-Manifestation wird der modifizierte Rodnan skin score (mRSS) angewendet. Eine korrekte Erfassung der Schwere des Hautbefalles ist dementsprechend von enormer Bedeutung. Dafür bedient man sich dem mRSS, ein Surrogatparameter, der von Kopf über den Stamm bis hin zu den Füßen insgesamt 17 Regionen erfasst. Punkte zwischen 0 und 3 (0 = unauffällig, 1 = verdickt aber Hautfalte abheben möglich, 2 = Hautfalte abheben nicht mehr möglich, 3 = Beweglichkeit eingeschränkt) werden abhängig von der Beurteilung jeder Region vergeben und dann addiert. Der maximal zu erreichende Punktwert beträgt 51.

Lungenfunktion

Die apparative Lungenfunktionsprüfung dient der Bestimmung der Ausprägung der Lungenbeteiligung. Sie besteht optimalerweise aus der Spirometrie, der Bodyplethysmographie und der Messung der CO-Diffusionskapazität.

CT -Thorax

Sie ermöglicht durch die Herstellung von 1-2 mm dünnen Schichten und Bildberechnung mit einem hochauflösenden Faltungskern, die Früherkennung, Detektion, morphologische Charakterisierung und Quantifizierung selbst diskreter krankhafter Lungenveränderungen. Dies erweist sich als sehr hilfreich bei der Früherkennung einer Alveolitis (Entzündung der Lungenbläschen). Die HRCT hilft hierbei das Ausmaß sowie das Verteilungsmuster zu bestimmen.

CT Thorax, Alveolitis

Lungen-Alveolitis

CT Thorax, Fibrose

Lungenfibrose

Bronchoskopie (Lungenspiegelung) und Bronchoalveoläre Lavage (BAL) (Bronchenspülung)

Im klinischen Alltag stellt die Bronchoskopie eine häufig angewandte Untersuchung dar. Bei SSc wird sie oft zur Gewinnung der Bronchoalveolären Flüssigkeit durch die BAL durchgeführt. Letztere erlaubt Zell-Analysen sowie den Ausschluss von Infektionen. Weitere Analysen der gewonnenen BAL-Flüssigkeit erlauben in Verbindung mit der Klinik prognostische Rückschlüsse zu ziehen. Bei Alveolitis ergibt die Zytologie (Zellanalyse) das Vorhandensein von Neutrophilen, Eosinophilen Granulozyten, Lymphozyten oder gemischten Zellen. Erstere sind mit erhöhter Sterblichkeit verbunden.

Bariumbreischluck und Ösophagoduodenoskopie (ÖGD) (Speiseröhren- und Magenspiegelung):

Die Symptome der Speiseröhre mit Schluckstörungen und Sodbrennen erweisen sich oft als richtungsweisend bei der Beurteilung der Magen-Darm-Beteiligung. Bei V.a. Mitbeteiligung wird der Bariumbreischluck und/oder die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) veranlasst. Hiermit lassen sich Bewegungsstörungen und Erweiterung röntgenmorphologisch darstellen. Zusätzlich können Refluxösophagitiden (Rückfluss der Magensäure in die Speideröhre) durch die ÖGD diagnostiziert werden. Die ÖGD sollte bei SSc-Patienten früh erfolgen, auch wenn diese asymptomatisch sind, da eine Magen-Darm-Beteiligung mit schlechter Prognose korreliert und eine frühzeitig eingesetzte wirksame Therapie diese verbessen kann.

Empfehlung zu den Verlaufskontrollen für Sklerodermie-Patienten, insbesondere in Hinblick auf Organbeteiligung:

Organ-
untersuchung

Zum Zeitpunkt der Sklerodermie-Diagnosestellung

Verlaufs-
untersuchungen

Haut

Modifizierter Rodnan-Skin-Score

Kapillarmikroskopie der Nagelfalzen

1-2 x jährlich

Lungen

Röntgen-Thorax oder HR-CT Thorax

1 x jährlich

Lungenfunktion mit Diffusionskapazität-Messung

2 x jährlich

BAL

Abhängig von Verlauf

Herz

Echokardiografie

2 x jährlich

Nieren

Ultraschall, Labor (Kreatinin, Harnstoff und Kreatinin-Clearance)

1-2 x jährlich

Speiseröhre

Magenspiegelung

1 x jährlich

Darm

Coloskopie

Abhängig von Verlauf

Komorbiditäten, Häufigkeit und vorgeschlagene Konsequenz für die Praxis

Komorbidität

Häufigkeit

Erfassung

Konsequenz für Praxis

Osteoporose

30% T-Score reduziert unter -2,5, Vitamin-D-Mangel, 11% Frakturen

Bestimmung der Knochendichte, des Vitamin-D-Spiegels

Sport, Therapie der Osteoporose, Veranlassung der Knochendichtebestimmung

Krebsleiden

2-fach erhöht generell, 4-fach erhöht für Lungenkarzinome

Bildgebung, Symptomerfragung

Im Zweifelsfalls Bildgebung, Bronchoskopie

Mangelernährung

Bis zu 50%

DXA-Messung der Knochendichte, Bioimpedanzanalyse

BMI eher zweifelhaft

Ernährungsberatung, ggf. Substitution von Energie und Eiweiß, Verbesserung der Nahrungsaufnahme, Atemtest zur Erkennung einer bakteriellen Überwucherung

Koronare Herzerkrankung

10% der Paienten, 3-fach erhöhtes Risiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung

Doppler der Carotiden, Linksherzkatheter

Symptomerfassung, Diagnostik bei Risiken wie PAH, Frauen in höherem Alter

Atherosklerose

Etwa doppelt erhöhtes Risiko von PAVK und Apoplex

Dopplersonografie

Symptomerfassung

Depression

Etwa doppelt so hoch im Vergleich zur Normalbevölkerung, 5-30% der Patienten, abhängig von SSc-Schwere

Konkretes Fragen oder Fragebögen z.B. mit PHQ9 (Patients Healths Questionnaire 9)

Bei Verdacht Erfassung

Fachdiszplin

Vorgeschlagener Rhythmus

Indikation

Rheumatologe

Alle 3 Monate

Kontinuierliche Betreuung, Lotsenfunktion, Erfassung der Laborwerte, Komplikationen, Komorbiditäten, Therapieeinleitung und -überwachung

Pulmologe

Mind. einmal jährlich

Lungenfunktion, ggf. Bronchoskopie mit BAL

Kardiologe

Einmal jährlich, ggf. häufiger z.B. bei PAH

Echokardiografie, ggf. 6-Minuten-Gehtest oder Spiroergometrie

Gastroenterologe

Bei Bedarf, ggf. initial

Ausschluss HP-Entzündung, Erfassung von Malignomen, strukturellen Veränderungen z.B. Wassermelonenmagen, Reflux

Dermatologe

Bei Bedarf

Therapie Juckreiz, u.a. Wundversorgung

Ergotherapeut

Regelmäßig, eher selten bedarfsweise

Bei strukturellen Veränderungen, Funktionserhalt, Hilfsmittelversorgung

Physiotherapeut

Variabel

Bei Funktionseinschränkungen und Zur Verhinderung der Kontrakturen, bei Lymphödem

Nephrologe, Angiologe, Handchirurg, Ernährungstherapeut, Hämatologe, Zahnarzt, Augenarzt, Gynäkologe

Bei Vorhandensein von Komplikationen

Symptomorientiert, abhängig von der Komplikation, Fachrichtungen sollten vorhanden sein